|
Pressestimmen zur
Ausstellung DETLEF SCHWEIGER spectral spiral
DIE RHEINPFALZ Nr 261
10.11.2018
Faszinierende Farbspiele
Aus
Tausenden CDs schafft Detlef Schweiger Kunst. Wie das aussieht?
Einfach bis 7. Dezember in die Frankenthaler Art-Ist-Galerie-Riedel gehen.
VON HEIKE
MARX
Eine CD, dieser – noch –
allgegenwärtige Gebrauchsgegenstand, als Baustein für Installationen, darauf
muss einer erst einmal kommen! Der Eine ist Detlef Schweiger. Aus Tausenden
silbern schimmernden Datenträgern legt er geometrische Felder. Mit nichts als
Licht entstehen darauf Farbspiele, die auch noch beweglich sind. In der
Art-Ist-Galerie-Riedel in Frankenthal ist seit Donnerstag eine solche
Installation zu sehen.
Detlef Schweigers
Installationen sind genau auf den jeweiligen Raum zugeschnitten. Um ihre
Faszination voll zu entfalten, müsste dieser eigentlich größer sein, als er bei
Riedel zur Verfügung steht. Schweiger ist langjähriger Galeriekünstler – es ist
seine fünfte Ausstellung hier, sagte er
– und so hat er sich für die erstmalige Präsentation seiner Lichtkunst in
Frankenthal ein größeres Projekt ausgedacht. Allerdings waren nur etwas mehr als
1300 CDs unterzubringen. Für seine Schöpfungen auf Zeit – nach der Ausstellung
sammelt er die CDs wieder ein für das nächste Projekt – braucht er ansonsten
meist mehrere Tausend.
Die Installation „spectral_spiral“
besteht aus zwei Teilen: einem runden Wandobjekt zum Thema Spirale, das er
derzeit öfter bearbeitet, und einer quadratischen Bodenfläche. Die Spirale aus
dicht gesteckten CDs spiegelt sich im Quadrat aus gelegten CDs, die sich leicht
überlappen. Die Spirale wirkt wie ein kompakter Kranz, die Bodenfläche dagegen
körperlos, fast virtuell. Beide leuchten aus sich heraus in den Spektralfarben,
die unter Lichteinfluss auf der CD-Oberfläche entstehen. Zugleich interagieren
sie, in dem sich das Eine im Anderen spiegelt. Auf der Bodeninstallation sieht
man eine Art intensiv farbige Nische. In deren grau erscheinenden Umfeld, das
durch den gefliesten Galerieboden in hell- und dunkelgrauen Quadraten
beeinflusst ist, blitzen farbige Lichtschlitze auf wie stäbchenförmige Sterne.
Wenn man an der Bodeninstallation entlanggeht, wandert die farbige Nische mit
und verändert dabei Farbtöne und Umrisse. Wenn man um sie herumgehen könnte, wie
es Detlef Schweiger in größeren Installationen regelmäßig vorsieht, würde das
nischenartige Gebilde über die Ecken hinweg mitwandern. Doch dafür ist der Raum
zu klein. Deshalb hat Schweiger durch die Einstellung der Scheinwerfer und die
fixierte Wandspirale eine statische Komponente in die Komposition eingebaut.
Wenn an Nachmittagen die Sonne durch die Fenster scheint, entstünden
überraschende Reflexe, sagt er. Solche Entdeckungen sind ihm wichtig und fließen
in zukünftige Arbeiten ein.
Vor einem Jahrzehnt hat
Detlef Schweiger die CD und deren das Licht in die Spektralfarben aufspaltende
Oberfläche als sein bildnerisches Material entdeckt. Das brachte ihm den
Durchbruch. Der Dresdner wird inzwischen eingeladen, für Schlösser, Kirchen.
Museen, aber auch weniger spektakuläre Orte, die ein besonderes Flair haben,
Installationen zu kreieren. Deren Anmutung ist überwältigend: magisch, sakral,
mystisch, kostbar, geheimnisvoll, rätselhaft – eben wie es Architektur und
Lichtverhältnisse jeweils vorgeben. Das Arbeiten mit dem Raum und
unterschiedlichem Kunst- und/oder Tageslicht fasziniert den Künstler. Ständiges
Experimentieren hat es ihm möglich gemacht, die Lichtwirkungen zu planen; doch
Überraschungseffekte sind ihm immer noch die liebsten. Mit kreisförmigen CDs,
deren Anordnung im rechteckigen Feld und Lichteffekten ist Detlef Schweiger ein
konkreter Künstler. Doch er ist nicht nur das. Man erkennt dies an den kleineren
Arbeiten, die bei Riedel ausgestellt sind. Eine oder auch mehrere CDs sind darin
auf unterschiedliche Weise verarbeitet. Neben strengen Reihungen gibt es
reinweiße Prägedrucke, die durch die Verwendung von zerbrochenen CDs etwas
Blumig- Chaotisches haben. Es gibt gediegene kleine Objekte und humorvolle
figurative Zeichnungen. Der CD als solcher misst Schweiger aber auch eine über
Form und Eigenschaften hinausgehende Bedeutung bei: Sie bildet für ihn unsere
Gesellschaft ab. Er recycelt gebrauchte CDs. Die darauf gespeicherten Daten
stehen für die Welt, in der wir leben. Sie auszulesen ist für ihn tabu. Sie
stellen ein anonymes Gedächtnis dar, das er in farbiges Leuchten und intensive
Gefühle transformiert. Um an sein Material heranzukommen, ruft er bisweilen zu
Spenden auf. Für eine Installation zum Thema Pest in einem historischen Gemäuer
in Pirna waren über 4000 Stück zusammengekommen. Viele Spender, die eher
kunstfremd waren, seien von der fertigen Arbeit angetan gewesen, berichtet
Schweiger.
DIE RHEINPFALZ Nr 253 31.10.2018
Schillernde Silberlinge
Aus
CDs macht der Dresdener Detlef Schweiger riesige Installationen. Rund 70.000
Datenträger hat er in den zurückliegenden Jahren gesammelt. In der Frankenthaler
Galerie Riedel stellt er ab 8. November unter anderem eine raumgroße
Bodenspirale aus.
VON SONJA WEIHER
Weg von der ursprünglichen
Funktion, hin zu strenger Reihung – das sei der Weg, den die CDs in seiner
künstlerischen Arbeit nehmen, sagt Schweiger. Der Dresdener verwendet nur
gebrauchte Datenträger. Über Aufrufe habe er die rund 70.000 Discs gesammelt.
„Die Daten sind geschützt“, verspricht er allen Spendern. In Pirna kamen so bei
einem Projekt 4000 Silberlinge zusammen. Die dortige Ausstellung habe auch
zahlreiche Besucher gehabt, die einfach nur sehen wollten, was aus ihren alten
Datenträgern geworden war. Auch Firmen überlassen dem Künstler ihre alten
Bestände von Softwareinstallationen und ähnlichem. Für seine stromunabhängige
Lichtkunst, die den gesellschaftlichen Umgang mit Informationen und Daten
reflektiert, bekam Schweiger 2015 den Kunst- und Wissenschaftspreis seiner
Heimatstadt.
Dass die CD in Zeiten von digitalen Speicherorten immer weniger nachgefragt
wird, beunruhigt den 60-Jährigen nicht. Er könne sein Material mehrmals
verwenden und habe einen großen Bestand. „Dass die CD ein aussterbendes Medium
ist, macht für mich ihren besonderen Reiz aus.“
Auslöser, sich mit den
runden Silberlingen zu beschäftigen, war das Dresdener Stadtfest 2006. Dafür
wollte Schweiger eine mobile Installation mit möglichst preisgünstigem Material
anfertigen. Die bewegliche CD Pyramide konnte letztlich nicht gebaut werden,
aber Schweigers Interesse an den Datenträgern war geweckt. Im jahre langen
Materialstudium arbeitete er sich in physikalische Aspekte wie Lichtbrechung und
Reflexion ein. Schweigers Verfahren der großflächigen homogenen
Spektralfarbabbildungen ist geschützt.
Inzwischen hat auch die
Technische Universität Dresden Schweigers Arbeit entdeckt. Fotophysikalische
Forscher untersuchen mit Hilfe der CD-Installationen die Spektralfarbbildung.
Durch Brechung, zum Beispiel an einem optischen Prisma, wird weißes Licht, also
Tageslicht oder künstliches Raumlicht, in bunte Spektralfarben zerlegt.
Für den Ausstellungsbesucher zeigt sich dieses Phänomen in immer anderen
Farbreflexen von Grün, Lila, Rot, Gelb und anderen Tönen. Je nach Standort und
Lichteinfall wirken Schweigers Arbeiten komplett anders. „Dieser Effekt ist von
mir gezielt angesteuert“, betont er. Es genüge nicht, einfach die CDs
auszulegen. In der Regel nutzt der Dresdener das in den Ausstellungsräumen
vorhandene Licht. So habe er beispielsweise bei einer großen Installation mit
knapp 9000 Datenträgern in der Friedenskirche in Frankfurt an der Oder
ausschließlich mit Tageslicht gearbeitet. „Manche Besucher kamen mehrmals zu
anderen Tageszeiten wieder und hatten jedes Mal ein völlig anderes Seherlebnis“,
erläutert Schweiger. Zum Teil inszeniert der Künstler den Einsatz von Licht
regelrecht, etwa wenn, wie in Wiesbaden Anfang des Jahres, die Besucher erst mit
ihren Handytaschenlampen den Ausstellungsraum erforschen, bevor die Beleuchtung
eingeschaltet wird, oder, wenn er seine Installationen in einer Höhle auslegt.
„Die Orte sind wichtig“, betont Detlef Schweiger.
Die Einladung zur
Lichtkunst-Ausstellung „Scheinwerfer“ 2014 im Museum Celle nennt Schweiger einen
Höhepunkt seiner bisherigen Tätigkeit. Seine CD-Installation stand neben
Arbeiten von Pionieren deutscher Lichtkunst wie Otto Piene und Heinz Mack. Die
Anfrage aus Celle habe ihn zunächst überrascht, räumt der 60-Jährige ein. „Ich
habe mich gar nicht in den Bereich Lichtkunst eingeordnet, weil ich eben nicht
mit Strom arbeite“, sagt er. Genau das sei laut Kuratorin der Grund für die
Einladung gewesen. Zu der Ausstellung ist ein umfangreiches Buch „Scheinwerfer
Spotlights – Lichtkunst in Deutschland im 21. Jahrhundert“ im Kerber-Verlag
erschienen. Schweigers CD-Wandobjekt „spira_dat 1“ ist inzwischen Teil der
Lichtkunst- Sammlung der Robert-Simon-Stiftung Celle. Auch bei seiner
Frankenthaler Ausstellung legt Schweiger seine CDs abgestimmt auf den
vorhandenen Raum. Deshalb kann er im Vorfeld schwer sagen, wie viele CDs er
letztlich benötigen wird. Ist die Arbeit fertig, werden die Datenträger gezählt.
Ihre Anzahl ist Teil des Titels. Geplant sind in der Galerie Riedel eine große
verdichtete Spirale am Boden, kleinere Wandobjekte aus CDs, dazu einige
Paperarbeiten und Prägedrucke. Zwei Tage vor der Vernissage will Detlef
Schweiger seine Arbeit in einem Lichtbildvortrag erläutern.
|
|