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...Fortsetzung:
Marius
Winzeler,
Doch
ist das großformatige Bild keineswegs Illustration der dramatisch-spätromantischen
Musik, vielmehr scheinen die schwerblütigen Klänge darin aufgegangen,
transponiert in Farbe und Formen. Und in dieser Auseinandersetzung mit
einem anderweitig sinnlich wahrnehmbaren Kunstwerk entfaltet sich auf der
Leinwand eine eigene Dynamik, eine eigene Geschichte.
Eine
andere, noch weit mehr erinnerungsschwere Symbolik liegt im Bild „Ho
logos“. Ein vulkanartiger Feuerstock in leuchtendem Orange bezeichnet
hier das Wort, das göttliche Wort. „Am
Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“.
Diese ersten Worte des Johannesevangeliums liegen dieser Darstellung
zugrunde, der eruptiven Gewalt dieses Vulkans, eines abstrakten Farbkörpers,
aus dem ein unendliches Gewusel und Gewimmel von Ideen und Gedanken, von
Lebensfäden und Lichtlocken hervorquellen und den Vulkan wiederum
einbetten – weiß, mit orangen Spuren überlagert. Es ist ein Schöpfungsbild,
ein Lebensbild, ja und durchaus auch ein Meditationsbild: „Alles
ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nicht, was geworden
ist.“
Lebensgespinste,
Verästelungen, Verknotungen und Verknäuelungen – auch die Installation
„Energiefeld“ mit groben und feinen geringelten Spänen zwischen
fluoreszierenden Acrylglasplatten besteht daraus. Licht und Materie
erscheinen verfremdet, sind gefangen und entrückt. Pralles Leben ist gebändigt,
hinter Glas gezwängt und scheinbar konserviert. Doch quillt es auch dort,
unaufhaltsam und stumm weiter.
Mit
dem Acrylglas hat Christa-Luise Riedel ein neues Material für ihre
Installationen entdeckt und eingesetzt, das auf den ersten Blick kalt,
technoid, industriell und unbeseelt wirkt. Doch bietet es sich in seiner
zwischen klarer und diffusen Transparenz changierenden Lichtdurchlässigkeit
an für Arbeiten, die sich genau mit diesen Themen befassen.
Harte
Flächen, geometrische Körper werden durch die künstlerische
Intervention plötzlich auf überraschende Art zu Bedeutungsträgern für
Dinge hinter Kanten und glatten Scheiben. Die Künstlerin ist zufällig
auf das Material gestoßen, hat zunächst mit Abfall aus der industriellen
Fertigung experimentiert und dabei die besonderen Qualitäten erkannt und
für ihre Zwecke nutzbar gemacht. Wie schon beim „Energiefeld“ spielt
die Lichtbrechung, die Fokussierung und die Verhüllung auch in der
Plastik „Im Feuer“ eine wichtige Rolle. Das Feuer ist hier ein
irisierend matt leuchtender, roter Tetraeder. Die Form dieses ersten
platonischen Körpers, gebildet aus vier gleichen dreiseitigen Dreiecken,
birgt wie keine andere geometrische Form im Zentrum ein starkes
Spannungsfeld, einen konzentrierten Brennpunkt. Dort liegt im Inneren
verkohltes Papier. Das
Feuer ist kalt, erloschen, aber durch das synthetische Material glimmt es
immer noch. Das Papier macht die zerstörende Kraft in diesem Körper
deutlich. Doch liegt nicht in dieser Zerstörung Energie, wird nicht auch
etwas Positives dabei umgesetzt: die Faszination des Feuers? In einem
Altarraum wie demjenigen der Görlitzer Frauenkirche, wo das Werk im
Herbst 2003 Aufstellung gefunden hat, kommen die Kraftlinien des
Tetraeders besonders zur Geltung. Der irritirende Fremdkörper im
gotischen Kirchenraum regt an zum Nachdenken über Zeit und Ewigkeit, über
Opfer und Offenbarung.
Doch
das Acrylglas wurde von Christa-Luise Riedel auch ganz anders eingesetzt,
weniger bedeutungsschwer: als Zeichengrund für filigrane
Strichkompositionen. Ungefärbte Platten tragen Ätzzeichnungen, sind tätowiert
worden an der Oberfläche. Liniennetze, geheimnisvolle Zeichen, unruhige
Striche werden sichtbar und bleiben es – Korrekturen sind auf solchem
Material nicht möglich: die Fragilität der Zeichnung, die unmittelbare
Handbewegung ist unauslöschlich festgehalten. Erinnerungen an alte
Sonnenuhren mit Tierkreissymbolen, astrologische Zeichen, an Handlinien
werden wach. Aber auch an Kratzer in alten Fenstergläsern, in denen sich
romantische Liebespaare verewigten oder an Eiskristalle, an Scheiben, die
im Winter von Eisblumen überzogen sind. Die Brechung der Oberfläche, die
Kratzer sind nicht tief, im Licht erscheinen sie als Schatten auf dem
Hintergrund merkwürdig versetzt. Die Transparenz des Zeichengrundes
schafft plötzlich die Illusion räumlicher Tiefe. Poetische Bilder
entstehen so auf einem Material, dem man eine solche Dimension nicht
zugetraut hätte.
Zu
den großen und mitunter lauten Werken der letzten Jahre gesellen sich
immer mehr auch kleine leise – seien es die scheinbar naiv-goldenen
Fabeltiere auf Schwarz, liebenswürdige Botschafter einer phantastischen
Welt, oder feinlinige Mobiles in glänzenden Kunststoffplatten: Es sind
suggestive Werke voller Daseinsfülle und einer selbstverständlichen
Weisheit, gepaart mit unerschütterlichem Mut zum Experiment, zur
Beweglichkeit und einer erfrischend offenen Lebensbejahung.
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