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Fortsetzung: Cornelia
Zeißig, Bildbetrachtung
„Le Cycle“
Christa-Luise
Riedel kreist in ihrer Themenauswahl immer wieder um die existenziellen
Grundfragen, die unser Leben bestimmen: Werden und Vergehen, Ängste und
Geborgenheit, Leid und Hoffnung, Einsamkeit und Gemeinschaft.
Bildbetrachtung
„Le Cycle“:
Was
ist zu sehen? Auf einer quadratischen Holzplatte ist in der Mitte ein
Kreis aus lehmfarbenem, brüchigen Material angebracht. Er ist in sich
gegliedert durch zwei erhobene Kreislinien, einen Außenkreis und einen
Innenkreis. Im Zentrum sehen wir zwei figürlich anmutende Umrisse, die
sich in ihrer glatten Oberfläche vom Untergrund abheben. Die Umgebung des
gesamten Kreises ist mit schwarzem Sand bedeckt. Welche Assoziationen
stellen sich ein? Stark wirkt das ungewöhnliche Material. Wir denken an
Erde, an Tongefäße, an roten Sandstein. Wir assoziieren Natur,
ungeordnet, ungestaltet zunächst. Durch die Kreisform wird dieses urwüchsige
Material gebändigt. Die Geometrie des Kreises steht sinnbildlich für die
Ordnung der Welt. Kulturübergreifend wird uns mit dem Kreis das
vollkommene und Ganze vor Augen gestellt, in der Gestalt des Kosmos ist
der Kreis das Gegenteil von Chaos. Aus diesem Gegensatz zwischen Ordnung
und Unordnung ergibt sich die Spannung des Bildes.
Ist
es die Konzentration des Kreises, die uns in ihren Bann zieht, oder ist es
eher die Brüchigkeit des Tons, die uns anspricht?
Gesteigert
wird diese Wirkung durch die schwarze Umgebung. Erst bei näherem Hinsehen
erkennt man die kleinen schwarzen Sandkörner. Schwarzer Sand erinnert an
vulkanischen Ursprung. Wir denken an Feuer aus dem Inneren der Erde. An
Asche und Rauch und glühende Lavaströme. Welch ein Gegenbild zu dem weißen
Sand paradiesischer Traumstrände! Asche erinnert uns zudem an unsere
eigene Vergänglichkeit
Die
Lebensenergie, das Feuer eines Lebens ist erloschen. Wie die Überreste
eines Vulkanausbruchs bleibt nur schwarze Erde übrig. Ich sehe hier übrigens
eine Brücke zu den beiden Arbeiten mit Acrylglas „Energiefeld“ und
„Im Feuer“. Das Viereck in seiner besonderen Form, auch das Quadrat,
stehen in der christlichen Kunst immer für den Bereich der Welt und des
Menschen. Wer möchte, kann die vier Himmelsrichtungen oder die vier
Elemente mit dieser Symbolik verbinden. Das Viereck ist sozusagen die
irdische Plattform, auf der sich Leben ereignet. Diese Erde wird in ihrer
Hinfälligkeit nun von einem Kreis gefüllt. Das Rund des Kreises kennt
keinen Anfang und kein Ende und gilt daher in wahrscheinlich allen
Religionen als Zeichen der Unendlichkeit und Vollkommenheit. Aristoteles
beschreibt den Kreis in seiner Abhandlung „Vom Himmel“ mit den Worten:
„Die Kreisbewegung muss die Ursprünglichste sein. Denn das Vollkommene
ist von Natur ursprünglicher als das Unvollkommene, und der Kreis gehört
zu den vollkommenen Dingen.“ Und Dante hat in seiner Göttlichen Komödie
über den Kreis geschrieben: „Im Himmel, wo der
Frieden
Gottes ruht, dreht sich ein Kreis, in dessen Kraft und Walten, das Sein
all des, was er enthält, beruht.“
Kehren
wir zurück zu dem Bild „Le Cycle“. Es konfrontiert uns also mit
unserer Kreatürlichkeit und zeigt uns zugleich einen neuen Horizont. Es
verhaftet uns in unserer Vergänglichkeit und führt uns zugleich über
diese hinaus. Es gibt eine Ordnung in allem, was ist, sagt mir die Figur
des Kreises. Es gibt eine Verborgene Ganzheit, die auch in allem
Fragmentarischen aufscheinen kann. Ich darf auf einen Sinn hoffen, der die
Brüche und Brände eines Menschenlebens, vielleicht auch der ganzen Erde,
zu einem guten Ende führt.
In
das Zentrum des Kreises hat die Künstlerin zwei figurale Zeichen gesetzt.
Sie wirken wie Piktogramme. Ich lese aus ihnen die Hochschätzung der
Kommunikation, des Gesprächs. Ich und Du sind aufeinender angewiesen.
Nicht ein einzelner kann die Probleme der Menschheit lösen, sondern nur
im fortwährenden Dialog liegt die Hoffnung, voranzukommen. Und als
Pfarrerin darf ich mir den Hinweis gestatten: Auch Gott spricht in der Schöpfungsgeschichte
von sich im Plural. Und es scheint nicht der Plural Majestatis gemeint zu
sein, sondern tatsächlich eine Form von Gemeinschaft, von innergöttlicher
Kommunikation, wie sie die Trinitätslehre später hochphilosophisch und
vielleicht ein wenig zu verstiegen ausformuliert hat.
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